Wer geglaubt hat, dass nur Präsidenten über Truppenstärken entscheiden, wird gerade eines Besseren belehrt. Im Streit um die US-Truppen in Europa zeigt sich, wie viel Einfluss der US-Kongress tatsächlich auf die Außen- und Sicherheitspolitik nimmt. Zwischen republikanischen Machtspielen, Trumps Rückkehrgelüsten und europäischer Nervosität entwickelt sich ein politisches Ringen, das weit über militärische Zahlen hinausreicht. Denn es geht um nicht weniger als die Frage, ob Amerikas Sicherheitsgarantien künftig noch etwas zählen.
Was auf dem Papier nach Strategie klingt, sorgt in Europa für Nervosität – und in Washington für Widerstand. Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA stellt alte Bündnisse infrage und lässt Zweifel an Amerikas Verlässlichkeit wachsen. Doch nicht alle in den Vereinigten Staaten wollen diesen Kurs mittragen. Hinter den Kulissen formiert sich im Kongress ein breiter Widerstand – und der sagt mehr über Trumps tatsächlichen Einfluss aus, als ihm lieb sein dürfte.
US-Truppen in Europa: Der Kongress greift ein
In Washington läuft derzeit ein Machtspiel, das kaum sichtbarer, aber nicht weniger folgenschwer ist als eine Rede im Oval Office. Während Präsident Trump mit einer neuen Sicherheitsstrategie aufhorchen lässt, funkt der Kongress dazwischen. Der aktuelle Gesetzesentwurf für den Verteidigungshaushalt 2026 enthält eine klare Ansage: Die Zahl der dauerhaft in Europa stationierten Soldaten darf nicht einfach so reduziert werden. Genauer gesagt: nicht unter die Marke von 76.000 und nicht länger als 45 Tage – es sei denn, das Pentagon liefert stichhaltige Begründungen und konsultiert die NATO-Partner.
Das ist mehr als eine Formalität. Es ist ein Signal – und zwar ein ziemlich lautes. Denn obwohl der Präsident offiziell Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, zeigt sich hier deutlich, dass der Kongress das letzte Wort behalten will. Republikaner wie Demokraten ziehen an einem Strang. Sie wollen verhindern, dass Trumps neue Strategie – mit ihrer Kritik am „Niedergang Europas“ – in konkreten Truppenabzügen mündet. Das Besondere: Selbst enge Parteifreunde stellen sich offen gegen ihn.
Europäische Sicherheit hängt an den US-Truppen in Europa
Das Militärbündnis NATO steht und fällt mit seiner Glaubwürdigkeit. Und diese wiederum hängt stark davon ab, ob die USA bereit sind, im Ernstfall Truppen zu stellen. Gerade osteuropäische Länder wie Polen, Rumänien oder die baltischen Staaten verlassen sich auf die Präsenz amerikanischer Streitkräfte. Besonders in Bereichen wie Luftabwehr oder logistischer Unterstützung klaffen bei den europäischen Armeen große Lücken. Ohne die Amerikaner wären viele Verteidigungspläne kaum umsetzbar.
Die rund 80.000 bis 100.000 US-Soldaten in Europa – je nach Zählweise – sind also mehr als nur ein Symbol. Sie sind ein Sicherheitsnetz. Wer daran rüttelt, rührt an den Grundfesten der transatlantischen Partnerschaft. Dass der US-Kongress jetzt so energisch auf die Bremse tritt, hat auch mit Russlands Krieg in der Ukraine zu tun. Der Zeitpunkt für strategische Rückzüge wäre denkbar schlecht.
Ein prominentes Beispiel: der geplante Abzug einer rotierenden US-Armeebrigade aus Rumänien. Viele im Kongress sehen darin ein gefährliches Signal. Es könnte Putin darin bestärken, auf Zeit zu spielen, statt zu verhandeln. Die Kritik kommt nicht nur von Demokraten. Auch republikanische Senatoren wie Roger Wicker oder Mike Rogers äußern offen Zweifel an Trumps Kurs.
Wie viel Einfluss hat Trump wirklich?
Donald Trump mag mit klaren Worten auftreten, doch hinter den Kulissen muss er mit einem zunehmend selbstbewussten Kongress rechnen. Der Streit um die US-Truppen in Europa zeigt, dass selbst innerhalb seiner eigenen Partei nicht alle bereit sind, seine außenpolitischen Vorstellungen mitzutragen.
Der sogenannte National Defense Authorization Act (NDAA) ist dabei mehr als ein Gesetz über Zahlen. Er spiegelt das politische Klima wider. In der aktuellen Fassung ist vorgesehen, dass Verteidigungsminister Pete Hegseth und der Kommandeur des US-Europakommandos eine schriftliche Einschätzung liefern müssen, bevor auch nur ein einziger Soldat dauerhaft abgezogen wird. Auch der Oberbefehl über die NATO-Alliierten in Europa – traditionell ein US-General – darf nicht ohne Zustimmung abgegeben werden.
Mit anderen Worten: Trump kann nicht allein durchregieren. Nicht einmal im Verteidigungsbereich. Der Kongress setzt Grenzen – und er tut es deutlich. Dass diese Grenzen nun sogar schriftlich im Gesetz festgehalten sind, ist ein bemerkenswerter Schritt.
Was bedeutet das für Europa?
Aus europäischer Sicht gibt es zwei Perspektiven. Einerseits die Erleichterung: Die USA bleiben verlässlicher Partner, trotz aller Unruhe aus dem Weißen Haus. Andererseits aber auch der Weckruf: Man darf sich nicht ewig auf Washington verlassen. Die Diskussion um die US-Truppen in Europa macht einmal mehr klar, wie abhängig viele Staaten militärisch nach wie vor sind.
Sollte ein künftiger US-Präsident tatsächlich auf Isolation setzen – mit oder ohne Kongress –, stünden viele Länder vor einem Problem. Strategen in Brüssel und Berlin wissen das längst. Die Hoffnung ist nun, dass die aktuelle Gesetzeslage etwas Zeit verschafft. Zeit, um Fähigkeiten auszubauen. Zeit, um Abhängigkeiten zu verringern.
Denn auch wenn der Kongress derzeit die schützende Hand über Europa hält – Garantien gibt es keine. Der politische Wind kann schnell drehen. Und in einem Wahljahr wie 2026 ist vieles möglich. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Militärische Sicherheit ist nicht selbstverständlich. Sie muss immer wieder neu verhandelt und gesichert werden.
Fazit
Wer über die Zukunft der US-Truppen in Europa spricht, muss auch über Macht, Vertrauen und Strategie reden. Der Kongress sendet ein deutliches Zeichen an Trump – und an Europa. Es ist ein Zeichen der Kontrolle, der Vernunft, vielleicht auch der Sorge. Denn so laut der Präsident manchmal spricht: Leise Entscheidungen im Hintergrund können mehr bewegen als große Worte.






